Mittwoch, 31. Dezember 2014

Weinrallye #81: Wir schenken uns reinen Wein ein

Ich bin spät dran, richtig spät. Draußen ist es fast schon dunkel, der Tag neigt sich dem Ende zu, das Jahr 2014 sowieso. Ich war in den vergangenen Tagen nicht besonders oft online, mir war es kurz vor Weihnachten einfach zuviel mit den gefühlten und den echten Tragödien, mit Leid und Selbstmitleid, mit Teilungswut und Teilnahmslosigkeit. Und ich bin natürlich ein Teil davon. Ein bisschen Verzicht hat ganz gut getan. Dazu kam, dass wir derzeit ohne WLAN und mit nur einem Laptop unterwegs sind - ja, das gibt es noch ;-). Und wenn die Prioritäten gerade so sind, wie sie sind, überlasse ich dem Liebsten seinem Modellbahnforum und lese meine heruntergeladenen Weihnachtsbücher auf. Eins habe ich noch.

Verzichtet haben wir im Großen und Ganzen auch auf Geschenke. Ein Buch nach Wunsch, ein selbstgekochtes Festessen, gute Weine, fertig. Umso mehr gefreut habe ich mich über einen Überraschungswein, den diese Weinrallye uns beschert hat. Ok, eine Überraschung mit Ansage.

Von wem er kam, wusste ich nicht, bis es am 2. Adventssamstag an der Tür klingelt. Wir sind auf dem Sprung ins Städtchen, Weihnachtsmarkt im Langwerthschen Hof mit Eröffnung durch den Posaunenchor, mittendrin unsere liebe Freundin Cantate aka Ronja Crescendo. "Hier ist Sven!" - "Komm rein!" Ich kenne keinen Sven. Doch! Klar kenne ich Sven Zerwas, den Stift!

Da steht er, in der Hand eine Flasche Rotwein. Merlot. Aus dem Württembergischen. Aha. "Franziska". Sagt mir nichts, aber auch überhaupt nichts. Aber wenn der Stift schon mal da ist, kann er gleich die Fassproben probieren, die wir am Morgen gezogen haben. Und so probieren wir und reden über das Jahr und den Herbst und über die Mühe und die Fäulnis und die Menge und die Qualität und den Projektwein. Und brechen überhastet auf, weil wir uns verquatscht haben und er weiter muss und wir ja sowieso ins Städtchen ...

Den Wein probieren wir, bevor wir ihn googeln.
2010 "Franziska", Merlot, im Barrique vergoren. Weingärtnergenossenschaft Aspach.
Etwas verhaltener Duft nach reifen roten Früchten, Sauerkirchen, Pflaumen, weich und samtig. Im Mund rund und saftig, hinten raus leicht austrocknend. Zarte Süße - Holz und Alkohol -, samtig und schmeichelnd.

Der Wein hinterlässt uns etwas ratlos. Gut gemacht, ja, aber da fehlt in bisschen Substanz, ein bleibender Eindruck.Wir stöpseln einen Vinolok auf die Flasche und stellen sie zurück in die "Später probieren"-Ecke.


Aus "später" werden zwei Tage. Dann schenken wir uns jeder ein weiteres Glas ein. Und siehe da: Franziska strahlt! Was verhalten anklang, tritt jetzt in den Vordergrund. Viel mehr Körper, gut eingebettete feine Säure, geschliffenes Tannin. Schöne Überraschung!

Und  beim Googeln finde ich dann auch noch heraus, dass dieser Wein von einem Nebenerwerbswinzer gemacht wurde, einem Verrückten, wie wir es sind, nur, dass Thomas Hentschel ausschließlich Rotwein produziert.

Ein gut gewählter Wichtelwein - Danke dafür - und Danke an Susa, die mit dieser Weinrallye und uns allen zusammen das Jahr 2014 beschließt. Auf ein neues, ein gutes, ein besseres Jahr. Skål!

Und: Godt nytår!




Samstag, 29. November 2014

Weinrallye #80 - wie es war und wie es wird, die Zusammenfassung

Wie schön - wir durften bei der nunmehr 80. Weinrallye Gastgeber sein, zu einem jahreszeitlich durchaus passenden Thema - Herbst 2014, Eindrücke, erste Bilanz, Meinungen. Der Zeitpunkt schien passend, wobei - vor zwei Jahren war Ende November die Lese durchaus noch im Gange, wer hätte gedacht, dass wir 2014 schon so früh, so schnell, so ... schwierig ... egal. Wir fassen zusammen!

Den Anfang macht Juliane von einfachwein, einem quasi Neugeborenen, das erst seit 14 Tagen online auf der Welt ist. Anstatt einer Reise zur Weinlese erfolgte die Geburt dieses Wein- und Genussblogs - ein schönes Baby und ein etwas anderer Herbstrückblick.

Der Stift aka Sven Zervas, ganz Musterschüler, berichtet pünktlich zur ersten Stunde vom Zwischenstand im Keller. Wir durften die gärenden Moste übrigens vor vier Wochen probieren und können nur bestätigen: Alles im Lot!

"Nichts für schwache Nerven" resümmiert Hans-Jürgen Schwarzer via Birgit Lorz von edelste weine  den Herbst - wie wahr, wie wahr - und wirft noch ein paar Gedanken zu Hektarerträgen und Preispolitik in die Runde.

Sehr persönlich der Beitrag von Jochen Reinhardt, vivaculinaria, er schlägt einen kleinen Bogen von der (eigenen) Herkunft über den Klimawandel bis zu den Weinen der Französischen Fremdenlegion aus dem provencalischen Aubagne.

Ihm dicht auf den Fersen: Der Godfather of Winerallye und Vinocamp, Thomas Lippert im winzerblog. Sein Thema: die verdammte Kirschessigfliege, die Apokalyse ... und ein versöhnlicher Herbstschluss. Auf den Punkt.

Auch Peter Züllig, der Sammlerfreak, nimmt sich der Drosophila suzukii an, erzählt von den Mühen einer hochselektiven Lese und bebildert seine Bilanz mit wunderschönen Photos. Lieber Peter, herzlichen Dank für Deine Mühe mit mir bzw. uns Weinrallyegastgeberanfängern und das Logo!

Den Reigen schließt, was mich sehr freut, Bernhard Fiedler, einer der ersten Winzer, den wir über die Weinrallye kennengelernt haben und dessen Beerenauslese 2006 in unserem Beitrag zu dieser Weinrallye verewigt ist. Bernhard macht den Herbstbilanzsack zu, vom Wirken im Wingert bis zum Stellschrauben drehen im Keller.

Herzlichen Dank an alle!

Und: Nach der Weinrallye ist bekanntlich vor der Weinrallye.
Gastgeberin der Weihnachtsweinrallye ist Susa von hundertachtziggrad mit einer klaren Ansage: Wir schenken uns reinen Wein ein. Aka: Weinwichteln. (Und ein schönes Logo hat sie auch schon.) Für diese Etappe der Rallye gelten übrigens zeitliche Sonderregeln, sowohl was das Wichteln als auch das Verbloggen angeht, mehr dazu unter dem obigen Link.
 
Da sind wir dabei! Ihr auch?

Freitag, 28. November 2014

Weinrallye #80: Nach dem Herbst ist vor dem Herbst

Es ist wieder Freitag, es ist wieder diese Bar Weinrallye, und es fühlt sich ein bisschen an
wie der Groundhog Day. Und dieses Mal sind wir auch noch die Gastgeber!

Also: Ernte 2014 - Eindrücke, erste Bilanz, Meinungen.

Und ich muss dir jetzt erzählen, was mir widerfahren ist... jetzt seh ich die Zukunft positiv, denn ich bin Optimist.


Das Jahr ist irgendwie vorbei gerast, was waren wir froh, deutlich vor dem außergewöhnlich frühen Austrieb mit Schneiden und Binden fertig geworden zu sein. Dann wurde es erst zu Ostern und dann zu Pfingsten richtig warm, nein, heiß, frühe Blüte, die Reben explodierten geradezu, und wir mussten uns beeilen, mit Mähen, Grubbern, Mulchen und Spritzen hinterher zu kommen. Indess: Picobello saubere Laubwände, kein Pilzdruck, keine Krankheiten, bis weit in den Juli hing es wun_der_schön.

Bis zum Tag, als der Regen kam. Und es warm blieb. Und die Peronospora explodierte.
Und es regnete ... Von Woche zu Woche, später von Tag zu Tag konnte man die Menge, die im Juli noch so exorbitant erschien, schrumpfen sehen.

Wo man auch hinschaute und -hörte, wurde aus Skepsis Nervosität, aus Unkenrufen Totengesänge. Der Arschjahrgang 2014 war schon lange vor der Lese geboren (und wurde, um das vorweg zu nehmen, sang- und klanglos beerdigt).

Ja, einfach war der Jahrgang nicht, die Kirschessigfliege tobte bei den roten Sorten, vielerorts gab es Probleme mit Essigfäule, die vor allem bei Anlagen, die vom Vollernter gelesen werden, extrem sorgfältige Vorselektion erforderten. Ach: Und wenn ich noch einmal hören oder lesen muss "Einfach kann jeder! ... liebe Leute, zur Abwechslung hätte ich nichts, aber auch gar nichts gegen einen wirklich einfachen, tollen, gesunden und, wenn man will, überreifen Jahrgang.

Trotzdem - was uns persönlich angeht - wir konnten Anfang Oktober die Trauben aus unseren beiden Rauenthaler Lagen Rothenberg und Wülfen (beide EG-qualifiziert) bei strahlendem Sonnenschein kerngesund in schöner Spätlesequalität ernten.

In unseren Parzellen am Mittelrhein waren die Mostgewichte etwas niedriger, trotzdem schmeckten die Moste konzentriert und intensiv. Hier gibt es in diesem Jahr drei Weine, von der trockenen dicken Kabinettqualität bis zur Auslese.

Die Weine haben sich gut geklärt, sind spontan angegoren und gären zum größten Teil noch langsam vor sich hin, wir werden sie wohl kurz vor oder nach Weihnachten abstechen.
Moderate Säurewerte, viel Extrakt, Reintönigkeit, jetzt schon Tiefe und Druck - kein Ausnahmejahrgang, aber einer, der das Maß wieder zurecht rüttelt, sowohl von der Menge als auch von der Qualität her.

Es ist, es war ein ungewöhnliches, vor allem ein ungewöhnlich warmes Jahr, selbst in unserem an sich kühlen Keller herrschten bis vor zwei Wochen noch so hohe Temperaturen, dass wir durch Bodenbenässung und Lüftung kühlen mussten.
Bis vorgestern hingen im Rheingau und am Mittelrhein überall in den Weinbergen noch reichlich Blätter an den Reben, dann kam zum Glück eine richtig kalte Nacht, und nun dürften sich die Stöcke in den Winterschlaf verabschiedet haben. Was bedeutet, dass wir mit dem Schneiden anfangen können und ein neuer Zyklus beginnt - nach der Lese ist vor der Lese.

Und keine Angst, nach so viel Weinbergsprosa gibt es auch etwas zu trinken. Denn wir konnten ein lang gegebenes Esseneinladungsversprechen wahr machen. Leider - aus Gründen - nur mit der Hälfte der erwarteten Gäste, aber wir haben ein Glas auf der Abwesenden Wohl getrunken und rechnen für das Nach-dem-Herbst-Essen 2015 fest mit ihnen.





Es gab ein einfaches, aufgebohrtes Essen rund um die tote Wildsau, sprich, Wildsaugulasch von der Rheingauer Wutz mit Vanillewirsing und Semmelknödelbuttermilchsoufflée im Zentrum nach einer klaren Steinpilzessenz (chakka!), Selleriegedöns nach Bushcook davor und noch vorher marinierten Saibling mit Gemüsekram und Wurzelchips. Danach ein Safraneis, Exotensalat und Orangenblätter und zum Schluss Salt&Pepper-Brownies.

Nix Experimentelles, gut vorzubereiten und bodenständig.
Und eigentlich nur der Anlass, was Anständiges zu Trinken auf den Tisch zu stellen. (Rezepte liefere ich auf Wunsch gerne nach).

Ich erspare Euch die Strecke (oder wollt Ihr???) und nenne nur zwei - persönliche - Highlights - Anfang und Ende, sozusagen. Beides sind übrigens Tropfen aus Gammel- und Arschjahren, das nur am Rande.

Vorweg - warum in die Ferne schweifen, wenn Kollegen sowas Schönes machen:

2006
Ratzenberger 
Spätburgunder Blanc de Noir brut
Sekt
13 %

In der Nase reife Walderdbeertöne, kräutrig, süßlich, nussig, würzig.
Auf der Zunge wieder Erdbeeraromen, Zitrus, weiche Nussaromen, saftig und schön trocken zugleich, das alles ungemein cremig mit viel Schmelz, dicht und fest und dabei sehr elegant, feines Mousseux, sehr gute Länge.
Chapeau! Ein großartiger deutscher Sekt, der sechs !!! Jahre auf der Hefe lag und sicher nicht nur in Deutschland in der Top-Liga mitspielt - toll gemacht, Jochen Ratzenberger!
(Und das Beste: Man kann ihn ab Hof noch kaufen!)

Nach diversen Rieslingen, Chardonnays, Spätburgundern und Bordeaux sowie dem einen oder anderen Piraten ging es zum Schluss noch mal nach Osten, genauer gesagt, ins Burgenland zu Bernhard Fiedler. Von dem hatten wir nämlich im Rahmen einer Blogger-Wichtel-Aktion und einer folgenden Weinkistentauscherei unter anderem eine Flasche

2006 
Grenzhof Fiedler
Beerenauslese
süß (ACH!)
13,5% 

bekommen. Ja, eine süße BA mit 13,5%.
In der Nase getrocknete Birnen, leicht bitter-nussig, etwas Waldboden und feuchtes Laub.
Auf der Zunge eher leicht im Stil, süßliches Dörrobst, schöne Würze, pilzige Noten, ordentlich Säure, viel Druck, schöne Länge.

Ein guter Ausklang eines einfachen Menüs, der Abend wurde dann noch etwas länger, aber davon bei Gelegenheit mehr.

Und nun hoffe ich auf viele Mitfahrer bei dieser Weinrallye, die ersten habe ich bereits gesichtet. Und freue mich besonders auf die nächste, die von unserer Mistress of Bordeaux, Susa, auf hundertachtziggrad ausgerichtet wird. Cheerio, old Sophie duck!

Mittwoch, 19. November 2014

Weinrallye #80: Herbst 2014 - Eindrücke, erste Bilanz, Meinungen


Der Nebel steigt, es fällt das Laub" ... das Laub hängt größtenteils immer noch, "dies ist ein milder Herbst, wie ich keinen sah", möchte man dichten, wir haben es Ende November und die ersten Fröste lassen zumindest hier immer noch auf sich warten.


Ende November, das heißt, der Monat neigt sich dem Ende und damit dem Weinrallyefreitag zu. Dieses Mal dürfen wir von Hauptsache Wein, also Lars und ich, Gastgeber für dieses Blogevent sein.
Als Anfang des Jahres mögliche Themen auf den (Wein/Blog) Markt geworfen und verteilt wurden, haben wir spontan zugegriffen, als das Thema "Herbstbilanz" auftauchte. Ende November, klar, da ist man wahrscheinlich im Großen und Ganzen mit der Lese durch und hat viiiel Muße, seine Gastgeberpflichten wahrzunehmen. Und dann kam alles ganz anders ...

Und das Thema birgt ja auch viel mehr Stoff als die reine Weinbergsjahresbilanz! Und das geht Weinfreaks, -liebhaber, -interessierte, -verrückte mindestens genauso viel an wie die Weinmacher.

Wie er denn ist und wird, der neue Wein, darüber wurde schon viel geschrieben und gelesen, gelegentlich auch ein bisschen kassandrisches Ge-Unke und euphemistisches Winzerlatein. Wie kommt das bei den Nichtweinmachern an? Was denkt Ihr über vorschnelle Jubelarien oder Grabgesänge? Wie war Euer Herbst, vom Wein mal abgesehen? Welche Früchte hat das Jahr getragen, wie reifen neue Gedanken und Projekte?
Ich sag's doch, das Thema hat es in sich!

Also: Am Freitag, dem 28.11., ist es so weit: Weinrallye #80 - Herbst 2014. Wir freuen uns über viele Mitstreiter! Die Regularien sind ganz einfach, den Beitrag bitte auf Facebook verlinken und am besten mit einer kurzen Nachricht an uns anmelden, dann können wir eine schöne Zusammenfassung erstellen.

Wir lesen uns am Weinrallye-Freitag!

Freitag, 31. Oktober 2014

Weinrallye #79: Wein genießen an schönen Orten

http://winzerblog.de/weinrallye-79-wein-trinken-an-schoenen-orten-4343/

Was für ein schönes Thema! Wein genießen an schönen Orten. Es geht, so klingt das für mich, ein bisschen weniger um den großen Wein als um den schönen Genussort.
Klar, der erste ... richtig gute Riesling ... Poujeaux ... Pétrus ... name it ... , den habe ich im sensorischen Gedächtnis gespeichert, und den Ort gleich dazu. Aber besonders schöne Orte, an denen man Wein wirklich genossen hat, die sind ihrerseits auch photograpisch ins Gedächtnis eingebrannt. Mir fallen da gleich mehrere ein. Der Einfachheit (aber auch der Bedeutung) halber erzähle ich darum eine Geschichte, die der eine oder die andere vielleicht schon mal gelesen hat, die aber für mich unvergesslich und unsterblich schön ist.


Lange ist es her ...

Wir waren jung, wir hatten Zeit, wir hatten ein Ticket für 398 Mark und vier Wochen vor uns. Und den klassischen Plan: Mailand, Venedig, Florenz, Rom, von Brindisi rüber nach Griechenland, Mykene, Athen, Istanbul und zurück.

Italien lief mäßig an, Venedig im Nieselregen (sehr authentisch), in Florenz kamen wir mitten in der Nacht im strömenden Regen an, bauten das Zelt an einem Abhang auf dem Campingplatz direkt an der Autobahn auf, nein, das war nicht wirklich schön.

Der nächste Tag versöhnte uns mit der schlaflosen Nacht, wir stromerten durch die Stadt, verliebten uns in die kalte Schönheit der Piazza delle Signoria, und liefen am späten Nachmittag hoch zur Piazzale Michelangelo.

Das ist ein Aussichtspunkt auf der anderen Arno-Seite, von dem man einen herrlichen Blick auf die Stadt hat, dort steht eine Kopie des David von Michelangelo, daher der Name.

Der Weg machte hungrig, und irgendwann wurde es dann auch Zeit fürs Abendessen. Nun muss ich sagen, dass unser täglich Brot in jener Zeit auf jener Reise äußerst frugal war. Um genau zu sein, es gab Weißbrot, Tomaten, Pfeffer und Salz, und Käse. Oder Tomaten, Käse, Pfeffer und Salz und Weißbrot . Oder …



So was hatten wir an jenem Abend im Daypack, eine Flasche Wasser, ein Messer, unser Alugeschirr, mehr brauchten wir nicht . Außer einem netten Plätzchen ... das wir vis-a-vis auf der anderen Straßenseite fanden.

Ein Kloster (im Rückblick … wohl eher eine Kirche!?), schöner Innenhof, keine „No Picknick“-Schilder, wir ließen uns auf einer Treppe nieder, breiteten unser kleines Mahl aus, ein Geschirrtuch als Tischdecke, und die Glocken läuteten. Und dann … erschien ein Mönch, und bedeutete uns wortreich und beredt gestikulierend, dass das Kloster jetzt die Pforten schlösse, ja, jetzt, und dass wir unser Abendessen gewiss nicht hier einnehmen könnten.

Also packten wir – ein bisschen traurig – Brot, Tomaten, Käse, Wasser, Salz und Pfeffer wieder ein, traten durch die Klosterpforte auf die Straße, und hinter uns fiel das eiserne Tor krachend zu, die Kette wurde vorgelegt, der Schlüssel gedreht.
Da standen wir nun, hungrig, ausgewiesen, und wieder auf der Suche nach einem netten Plätzchen. Wir wandten uns zu gehen, da hörten wir hinter der schweren Eisentür eine Stimme. Es war der Mönch, der uns eben noch hinausgewiesen hatte, er kam über den Innenhof auf die vergitterte Tür zugelaufen, rief und winkte.

In der Hand hielt er eine Flasche Rotwein, die reichte er uns durch das Türgitter, und ohne Italienisch zu können, verstanden wir: Die war für uns, für unsere Cena, unser Abendessen.

Und die haben wir uns dann auch geteilt, auf der Freitreppe der Piazzale Michelangelo, mit einem kitschig-schönen Sonnenuntergang und dem schönsten Blick über diese wunderbare Stadt.


Und der Wein? Ich weiß es nicht. Ich war zu jener Zeit Weinbanausin, ein Tignanello wird es nicht gewesen sein, aber dieses Gefühl von Glück, Geborgenheit und *Nach-Hause-Kommen* habe ich – vielleicht auch deshalb – oft bei toskanischen Weinen, und wenn es nur Einbildung ist.

Durch einen netten Zufall sein haben wir in diesem Jahr bei unserem Hauptstraßenfest einen Schweden kennengelernt, der in der weiteren Nachbarschaft wohnt, weinbegeistert ist, uns bei der Lese geholfen hat und uns vor zwei Tagen eine Flasche italienischen Rotweins vorbeigebracht hat, den sein Schwiegervater produziert - und für den er künftig verantwortlich zeichnen wird. Hobby, kein Nebenerwerb, ich werde nachtragen, um welche Region, welche Größe und überhaupt was sonst es geht.

Aber getrunken haben wir ihn, den Le Mura 2011, mit großem Genuss.

Das Etikett verrät nur, dass es eine Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Sangiovese ist.

In der Nase sauber, waldbeerfruchtig, leicht säuerlich, fleischig, Kräuter und dezentes Holz, ohne die vorlauten Cabernet-Sauvignon-Töne.
Auf der Zunge frisch und jugendlich, verhaltene Frucht, leicht süßlich. Passende Säure, harmonische Tannine, ordentliche Länge.

Kein großer, großer Wein, aber verdammt gut für absolut No-Name - und wenn ich wüsste, wo ich diesen Wein kaufen kann, würde ich das bei nächster Gelegenheit tun.

Skål!



Sonntag, 27. Juli 2014

Spritztour

Es ist das Wochenende der Spritztouren.

Gestern abend mal schnell nach Münchweiler, wo es neben dem Rundfunkmuseum auch ein wunderschönes Anwesen, die Klostermühle, gibt, Anlass: eine Hochzeit! Ja, die Leute machen so was immer noch, sogar nach vielen Jahren. Wunderschön bunt durchmischte Gästeschar, blendend gelaunte Gastgeber, viele reizende Kleinkinder, gute Musik, feines Essen und Trinken ... und ein viel zu früher Aufbrauch, weil heute Spritztour Nr 2 auf dem Programm stand.

Wortwörtlich. Den Rothenberg haben wir neulich nach Feierabend gespritzt, obwohl wir viel lieber ins Taubenhaus von Eva Rapps und Urban Kaufmann gegangen wären. Aber das läuft uns ja nicht weg, im Gegensatz zur Zeit, die wir im Weinberg verbringen müssen.

Also Spritztour in den Fürstenberg. Zum Glück bei angenehmen Temperaturen und etwas Wind. Das macht die Buckelspritze (425 Solo, 15 Liter, manuell) nicht leichter, die Arbeit aber etwas weniger unangenehm. Wir spritzen mit Netzschwefel (jaja, ich weiß, Wartezeit 55 Tage, wir haben es den 2. August, nun rechnet mal) und Kupfer, danach riecht man ... äh .. etwas streng. Und man ist hübsch gleichmäßig benetzt.

Unsere liebe Freundin Susa hat an anderer Stelle ja schon einmal beschrieben, wie derbe ich über Brombeeren und Dornen fluchen kann. Liebe Susa, Du hättest mich heute mal erleben sollen. Meine Spritze leckt, und so liefen mir schön gleichmäßig mindestens 1,5 Liter Spritzbrühe über den Rücken ins T-Shirt, den Rücken hinunter durch Hose und Unterhose bis in die Stiefel. Ok, ich bin jetzt gegen jegliche Art von Pilzen tiefenimprägniert (mein Autositz übrigens auch), aber schön ist anders.

Unsere Spritztour hatte auch noch ein anders Ziel: Der Eisenwarenhändler uV feierte 50jähriges Betriebsjubiläum. Mit persönlicher Einladung, persönlicher Rückmeldung (theoretisch) und Schnick und Schnack.
Frisch geschwefelt sollte man sich eher nicht unter Menschen begeben, also haben wir einen Zwischenstopp an der Quelle eingelegt - waschen, trocken, Kleider wechseln. Ab nach Bacharach! (Ich sag's mal so: Wahrscheinlich hätte es keiner bemerkt ...).

Bacharach, "Gummibahnhof". Auftritt: Der Inhaber, der uns strahlend für den schönen Artikel dankt, er habe erst jetzt ... Ich: "???". Der Hospitant: "???". Der Inhaber: "Internet! Und der Bürgermeister hat die Geschichte vorhin vorgelesen! Alle waren begeistert!"

Ich ... ahne ... da war was ... Himmel .. raune dem Hospitanten unauffällig zu: "Habe ich da irgendwelche kleinen Gemeinheiten abgefeuert?" Er: "Keine Ahnung. Wahrscheinlich schon." Danke, Du bist mir wirklich eine große Hilfe.

Im Laufe der nächsten Stunden bei Riesling, Bratwurst und Mokkacremetorte werden wir noch etliche Male auf diesen "schönen (Blog)Artikel" angesprochen - ausnahmslos begeistert. Da sage noch einer, Blogs lese ohnehin keiner.



Und auf dem Rückweg habe ich schnell noch mal selbst nachgelesen - nein, keine Gemeinheiten, einfach nur das echte Leben.

Zum Jubiläum hat André Heisecke nicht nur massenweise Blumen bekommen, sondern auch eine Schatzkiste mit 50 Weinen - zusammengetragen von der Vereinigung der Bacharacher Winzer. Jeder hat 2 Flaschen beigesteuert. Zum Öffnen der Kiste braucht man natürlich einen Schraubenzieher, der nur bei André Heisecke erhältlich ist.



Und es gab Reden und Gedichte. Von einem besonders launigen habe ich mir nur die letzten drei Zeilen notiert:
"... oder ist bei Dir ne Schraube locker
Geh zu André in sein' Laden
der hat ne Lösung für Dein' Schaden!"


Cheers!

Vorsichtig optimistisch

Nach dem Zwischenstand ist vor dem Zwischenstand. Die Weine sind gefüllt, wir haben AP-Nummern, wir haben neue Selbstklebeetiketten und die Weinguts-Homepage auf www.dalgaardundjordan.de umgestellt.

Wir haben gespritzt, wir liegen bei den Laubarbeiten gut in der Zeit. Und es sieht verdammt gut aus im Weinberg. Oder vielmehr in den Weinbergen, beiderseits des Rheins.
Es hängt viel, wir hatten keinen Hagel, wir haben keine Peronospora und keinen Mehltau. Wenn es halbwegs so weitergeht, fällt es schwer, den standesgemäßen Pessismismus zu bewahren.

So schön kann es gehen - hoffentlich geht es auch so weiter.



Donnerstag, 22. Mai 2014

Ab. Ge. Füllt.

Das war's!


Schluss, fertig, aus.

Der Jahrgang 2013 ist auf der Flasche. Fünf Weine, vom trockenen Ortswein (Martinsthaler) über zwei halbtrockene/feinherbe Lagenweine aus dem Martinsthaler Rödchen bis zu unseren Premiumweinen Rothenberg und Fürstenberg.
Keine große Menge, aber großer Trinkgenuss.

Eine mobile Füllanlage, ein wunderbarer, tiefenentspannter und unerschütterlicher Lohnfüller, zwei Freunde und wir.
Vier Stunden.
Viele viele leere Flaschen - zweieinhalb Paletten, genau gesagt.
1300 für die Premiumweine. Größer als die Standardflasche und mit 750 Gramm 50 Prozent schwerer.
Zweieinhalb Kartons Kapseln.



Für diejenigen, die es noch nie gesehen haben:




Die Flaschen werden am Anfang der Füllanlage (oben: links) auf ein Band gestellt, in die Anlage gefördert, in einem ersten Durchgang mit stark verdünnter schwefliger Säure sterilisiert und kopfüber ausgeschwenkt. Dann laufen sie in das Füllkarussel, werden dort mit Wein befüllt, im nächsten  Schritt wird von oben eine Kapsel aufgesteckt und dann festgedreht. Hinten (oben: rechts) werden die Flaschen aus der Anlage auf eine Ablage geschoben, von der man sie abnimmt und in Gitterboxen legt.

Mehrere Tonnen gefüllte Flaschen, die kistenweise vom Hof in die Gitterboxen im Keller gewuchtet werden mussten.





Ein rausgeschossener FI-Schalter, weil die Füllanlage auf unserem Buckelpflaster ein bisschen schief stand und zum Schluss doch Wasser in die Stecker tropfte.

Alles neu macht ...
Ein Ergebnis, auf das wir stolz sind.
Und neue Etiketten.

Mehr dazu und natürlich vor allem zu den Weinen in Kürze auf diesem Kanal und auf unserer Homepage.

Und nein, das Bild hängt nicht schief.

Dienstag, 13. Mai 2014

Alt. Neu. Entdeckt. Teil 2.

Weil Rüdesheim ja so weit weg liegt und weil wir durch Rüdesheim eigentlich immer nur durchfahren, müssen wir, wenn wir denn schon mal in Rüdesheim sind, ... *lufthol* ...

Die Wahrheit ist, wie immer, sehr viel simpler, eine Anzeige in der Lokalpostille (für Insider: Pflücke den Tag), ein Weingut, von dem wir noch gehört hatten, eine schnelle Googlerecherche und (wie erwähnt) ein verregnetes Wochenende, an dem wir eh schon nach Rüdesheim fahren (zum Glück).

daskleineRieslingGut. Rüdesheim, wie gesagt. Das Navi verschluckt sich bei der Anfahrt und versucht hartnäckig, uns in die Garage des Hotels Krone zu lotsen. Da wären wir gar nicht so verkehrt gefahren, wie wir später lernen. Also Auto abstellen und die paar Schritte im NieselPlatzregen zu Fuß gelaufen.

Von der kopfsteinholprigen Gasse geht es in einen kleinen Probierraum. Betonboden, Gitterboxen, Edelstahltanks. Fertig.



Zwei Stehtische, Christoph Schütt und Andreas Frosch schenken selbst aus. Wir wissen zu diesem Zeitpunkt nur das, was wir uns ergoogelt haben. Neugründung, dritter Jahrgang (kommt uns bekannt vor), ein Hektar in neun Lagen im Rheingau, nur Riesling.

Der Jahrgang 2013 umfasst fünf Weine, vom trockenen "Basis" bis zum "Charisma". Ach, und die "Zicke" gibt es ja auch noch.

Basis. QbA trocken, rheingautrockene 8 Gramm Restzucker, 12% vol. Guter Einsteiger, Würze, saftige Frucht.

Magda.  QbA feinherb. 19 Gramm Restzucker, gut 8 Gramm Säure, 11,5% vol. Ein Maulvoll Wein, ungemein saftig, frisch und süffig. Easy drinking auf hohem Niveau.

Apropos ... Niveau. Der einzige Wein mit zumindest einer Ortsbezeichnung - Rüdesheimer - und der "furztrockene" mit 4 Gramm Restzucker. Auch "nur" 11,5 %vol. Typischer Rüdesheimer mit einem ganz anderen Charakter als die eher fetten, breiteren (wenn man davon reden kann) Rieslinge aus den Oestricher und Hallgartener Lagen. Gut! Fest! Spannend!

Charisma. 10 Stunden Maischestandzeit. 12% vol. Noch sehr unruhig, hefig, aber schon mit unheimlich viel Druck. Jetzt schwierig zu probieren, aber man ahnt das Potential. Hinlegen!

Und die Zicke. Riesling süß. 74 Gramm Restzucker. Vorne süß und limonadesaftig, rosa Grapefruit, Limette, einfach lecker (sorry Sam). Und hintenraus, "holla die Waldfee", ein eigenwilliger Kick, der diesen Wein vor der Belanglosigkeit bewahrt.

Eindeutig sehr! viel mehr als eine Hobbyklitsche (was man auch an Homepage, Etiketten, Vermarktungsstragegie sieht) und eindeutig bemerkenswert und merk-würdig, aber gar nicht seltsam.

daskleineRieslingGut - klein, Riesling, GUT!
 

Montag, 12. Mai 2014

Alt. Neu. Entdeckt. Teil 1.

Kennt Ihr das? Weingüter, die man eigentlich auf der Spur hat, irgendwie "kennt", aber doch nur sehr oberflächlich? Die man an den Tagen der offenen Keller auch eher auslässt "das können wir auch irgendwann anders". Was dazu führt, dass man davon schlicht keine Ahnung hat.

Im Rheingau kennen wir uns, denke ich, halbwegs aus, aber es gibt schon noch eine Reihe alteingesessener Betriebe, die wir - warum auch immer - noch nicht besucht haben.
Warum auch immer ist manchmal auch ein Synonym für "zu weit weg". Rüdesheim ist gefühlt ganz schön weit weg. Das ist natürlich sachlich Quatsch.
Aber gefühlt ... hat das sicher auch mit dem Stau zu tun, der sich an schönen Sonnensonntagen ab elf Uhr morgens von kurz hinter unserer Hoftür bis nach, eben, Rüdesheim zieht und dann ab 17 Uhr wieder zurück.

Durch die Stadt geht's dann im Schritttempo, eingekeilt zwischen Reisebussen, Wohnmobilen und Ausflüglern, die dann mit etwas Glück (wenn wir unterwegs zum Mittelrhein sind) noch bis Kaub vor uns herschleichen, Mitte fahrend, links und rechts deutend und knipsend - Weinberge! Rhein! Burgen! Noch mehr Weinberge! Boote! Achtung Gegenverkehr! Baustellen! Das alles hat gefühlt mit Rüdesheim zu tun, seien wir mal ehrlich.

Nun war das vergangene Maiwochenende so gründlich verregnet, dass die Ausflügler ausblieben - ärgerlich für die Winzer, weniger ärgerlich für uns. Sonst hätten wir es wahrscheinlich wieder nicht in die Sektkellerei Ohlig geschafft. Gefühlt zwei Millionen Mal sind wir dran vorbei gefahren, kennen die mehr als ordentlichen Basisqualitäten aus dem LEH ... und hatten keine Ahnung von den tollen Spitzensekten.

Die Einsteiger - Privat weiß, rosé und rot - sehr anständig für kleines Geld. Interessant wird es mit dem "Herzog". Riesling, Jahrgangssekt, brut, fruchtig, schöne Perlage. Auch der Rheingau Rosé brut überzeugt. Beide liegen bei knapp 11 Euro.

Auch nicht nur "gut", sondern deutlich drüber: Chardonnay brut und Pinot Blanc, beide rebsortentypisch, gute Essensbegleiter und mit unter 8 Euro wahre Schnäppchen.

Aber dann - Tataaa - Auftritt der Hommage-Kollektion, "Edition Anton Ohlig".

Hattenheimer Wisselbrunn 2012, Riesling extra trocken. Enorm nussig und knackig, frisch, saftig.

Erbacher Marcobrunn 2010. Sehr viel reifer, weicher, rund und schmeichelnd, tiefer.

Cuvée Pinot brut 2010. Mein Favorit. Hochfarbig, nussig, mit viel Schmelz und Druck.

Assmannshäuser, Spätburgunder rot, 2007. Trocken, fest, dicht, dabei sehr elegant. Tolle trockene Kirsch- und Wildpflaumenfrucht.

Sekte, die man nicht mal nebenbei beim Empfang schlürft, Weine mit Charakter. Chapeau!

Und mittendrin ein Exot.Ohlig Rurale. Riesling. Jahrgangsekt nach der Méthode Rurale, also mit Kohlensäure ausschließlich aus der ersten Gärung, neu im Programm. Das hatten wir doch schon mal irgendwo .... richtig! Dieser hier ist mit 27 Gramm Restzucker schon ordentlich süß, wirkt aber viel fruchtiger, weiniger, frischer als die klassischen Sekte. Spannend!


Und das hätten wir schon viel eher entdecken können - der Kellereiverkauf ist nämlich, Tipp für alle Weintouristen, auch am Wochenende geöffnet. An diesem Wochenende war übrigens auch noch Deutscher Sekttag und die Lagerhalle war in eine sehr stylische Location mit Sekttheke und Co umdekoriert worden - auch ein Tipp fürs nächste Jahr. 

Und wenn man schon mal in Rüdesheim ist ...




... kann man auch noch was wirklich Neues entdecken. In Kürze mehr.



Donnerstag, 20. März 2014

Usselig? Hyggeligt! Æbleskivertid!

(Usselig - westfälisch/norddeutsch für eklig, unangenehm, unschön. Hyggeligt - dänisch für gemütlich, nett, warm, vertraut. Æbleskivetid - Aebleskiverzeit!!!)

Ich bin bekennende Winterhasserin. Gut, es muss nach einem langen goldenen Oktober auch mal kalt werden.
Meinetwegen.
Ist ja auch gut für die Natur. Und so.
Meinetwegen.
Weiße Weihnacht, Gänsebraten, Grünkohl, Rotweinfondue. Ein paar Tage klirrende Kälte, ordentlich Schnee und blauer Himmel.
Meinetwegen.
Dann ist es aber auch echt gut! So weit die Idealvorstellung.

Tatsächlich herrscht hier aber gefühlt von Mitte November bis mindestens !!! Mitte März graunasskaltes Matschepampeschlechtelaunewetter. Pfui. Mit ein bisschen Glück auch noch mit sibirischer Kälte und ewigem eisigen Nordostwind garniert. Doppelpfui.

Da trifft es sich gut, dass Bushcook zu ihrem Bloggeburtstag zu "Soulfood" aufruft. Wenn es draußen schon scheusslich ist, lässt es sich drinnen bei wärmendem, tröstlichen Essen deutlich besser aushalten. 

http://www.bushcook.de/2014/02/3-jahre-bushcooks-kitchen-gratulieren.html Soulfood, das ist für mich ...
Hühnersuppe, logisch. 
Spaghetti carbonara (OHNE Sahne).
Rührei mit Krabben.
Selbstgemachter (ach!) Kartoffelbrei mit brauner Butter.
Erbsensuppe mit Grießklößchen.
Ewig geschmortes Gulasch.
Alles wenig originell und wenig photogen.

Und, seit einigen Jahren, Æbleskiver.
Das fünfte oder sechste dänische Wort, das ich lernte, die unaussprechliche Köstlichkeit kannte ich schon vorher.
Æbleskiver, kleine, pfannenwarme Küchlein, ursprünglich mit Apfelstückchen gefüllt, gebacken in einer speziellen Pfanne, die der holländischen Poffertjespfanne oder dem deutschen Pendant für Pfitzauf oder (P)Förtchen gleicht. Gusseisen, sieben bis neun Löcher.
Eine relativ unsüße, dampfend warme Köstlichkeit, die wunderbar mit Puderzucker, Marmelade, Vanilleeis und einer nicht zu süßen Auslese harmoniert und mit der man unkompliziert Heerscharen gieriger Teenager abfüttern kann.

Das perfekte Wintersoulfood.

Was mich zum Winter zurück bringt, der keiner war.
Der Panther hatte schon im Oktober den denkbar dichtesten Winterpelz, aber ab Mitte Februar mühte er sich sichtlich, ihn los zu werden. Wir waren so früh wie noch nie mit dem Rebschnitt fertig, und so früh wie noch nie mit der Zeit im Nacken. Und so nutzen wir mit diesem Wochenende die wohl letzte Gelegenheit des ersten Halbjahres 2014, Wintersoulfood auf den Tisch zu bringen.

Æbleskiver fast nach Fräulein Jensen

Fräulein Jensen ist jedem Dänen ein Begriff, und vielen Deutschen auch, vor allem denjenigen, die sich in einem der großen deutschen Kochforen herumgetrieben haben. Ich bin durch besondere Umstände in den Besitz einer älteren Ausgabe dieses dänischen Standardwerks gelangt, das an den entscheidenden Stellen (Pankager/Aebleskiver/ Schweinebraten / Lammbraten ) gewisse Gebrauchsspuren aufweist. Erstaunlicherweise wirken die Seiten mit den vegetarischen (ok, damals hieß das "fleischlosen") Hauptgerichten geradezu jungfräulich.

Die Dessertabteilung ist dagegen ordentlich vollkleckert, Fettspritzer, Teigreste, alles, was das Herz begehrt. Und für fast jeden Klassiker mindestens zwei Grundvarianten, die wir aus Erfahrung in diesem Fall durch eine dritte ergänzt haben.
 
 



Æbleskiver III


200 g Mehl
2,5 TL Backpulver
1 EL Zucker
1 gute Prise Salz
200-250 l Schlagsahne
50 g geschmolzene, lauwarme Butter
4 Eier, getrennt
1 Messerspitze Vanillemark
feingeriebene Schale von 1/2 Biozitrone, besser: 1/4 Biozitrone und 1/4 Bioorange
ein beherzter Schuss Orangenlikör

zum Servieren
Puderzucker
Marmelade (gerne gute Orangenmarmelade)
Vanilleeis
etcpp.

Mehl, Backpulver, Zucker, Vanillemark und Schalenabrieb mischen, mit den Eigelben und der Butter sowie etwas mehr als der Hälfte der Sahne und dem Likör verrühren. Eiweiß mit Salz steifschlagen und unterziehen. Ggf so lange mehr Sahne unterrühren, bis die Masse etwas flüssiger als ein normaler Rührteig, aber deutlich fester als ein Pfannenkuchenteig ist.

Die Backform mit ganz wenig Butter auspinseln, erhitzen, in jede Mulde bis ca. 4 mm unter den Rand Teig einfüllen. Bei mittlerer Hitze backen, die Teigstücke mit Hilfe einer Gabel wenden, wenn die Kruste unten fest genug geworden ist und der Teig oben nicht mehr flüssig ist. Fertig backen, auf einem Teller im Ofen bei 80 Grad warmhalten, bis der gesamte Teig verbacken ist. Warm servieren, sofort essen und entweder eine Tasse echte heiße Schokolade oder ein Glas Auslese dazu genießen.

Das macht glücklich, Glückwunsch!

Freitag, 28. Februar 2014

Weinrallye #71 - Asylsucher im Glas oder mein Lieblings-Immigrant im Weinregal

http://chateau-et-chocolat.blogspot.de/2014/02/weinrallye-71-asylsucher-im-glas-oder.htmlWer mich und uns ein bisschen kennt, weiß, dass in unserem Hauptkeller ausschließlich deutscher Riesling liegt und in unserem Vorratskeller, nun, vorwiegend Riesling, ein bisschen was aus dem europäischen Ausland, eigentlich nichts aus Übersee. Denkbar schlechte Voraussetzungen für die Teilnahme an der Weinrallye zum Thema “Immigranten”. Zwar sind die Flaschen mit Migrationshintergrund fast allesamt selbst importiert, aber viel wird dann doch an einem schönen Abend mit Freunden und Erinnerungen an zwar kurze, aber intensive Urlaube zeitig getrunken.

Dass mir trotzdem etwas passend zum Thema ins Glas gekommen ist - purer Zufall. Und so ganz stimmt das auch nicht mit dem Immigranten, der Wein ist eher - ja, was nun, assimiliert? Integriert? Inkludiert? Was wiederum durchaus zum Thema passt und ein anderes Mal …

Zur wenig feierlichen Feier eines unrunden Geburtstags (feierliche Feiern haben bei uns keine Tradition) wollen wir (mit einem Riesling) “außer Haus” anstoßen. Nicht ganz einfach an Weiberfastnacht, wenn man weder lustige Kostüme noch lustige Girlanden noch unglaublich lustige Lieder mag. Glück: Ein Gutsausschank im Nachbardorf hat nicht nur fastnachtsfrei geöffnet, sondern auch noch Platz.

Der Winzer hat vor kurzem gefüllt. So dürfen müssen wir neben dem Anstoßriesling auch noch frischen Rivaner, Riesling, Weißherbst, Rosé … probieren. Eine schöne, stimmige Kollektion. Keine filigranen Leichtgewichte, sondern Weine mit Wumms.
Und noch etwas Besonderes. Der Winzer platzt fast vor Stolz. Ratespiel!

Hellorange-lachsfarben im Glas, üppiger Duft nach … Rosen. Ein bisschen Macis, ein bisschen reife Aprikose, ein bisschen Himbeere. Auf der Zunge kräftig, süß, opulent. würzig. Viel Wucht, ohne dabei plump zu wirken, ordentliche Länge.

Rosenmuskateller. Südtirol? Rosenmuskateler. Rheingau! Genauer:
Rosenmuskateller Rosé feinherb 2013. Rauenthaler Rothenberg. Weingut Ernst Russler. 13% Alkohol, ordentlich Restzucker. Ein eingebürgerter Immigrant.

Wie das? 2011 hat Uwe Russler knapp 1000 Stock Rosenmuskateller gepflanzt - in seiner besten Rieslinglage, im Rauenthaler Rothenberg. Versuchsanbau, eine von nur drei Anlagen in Deutschland - und gleich die größte.
Wer Uwe Russler kennt, weiß: Hier wird nicht gekleckert, hier wird geklotzt. Wenn schon ein Experiment, dann richtig. 
Das hier ist gelungen. Ein wunderbarer Rosenmuskateller, der mit seinen Brüdern in Südtirol absolut mithalten kann. Auch preislich: 15 Euro ab Hof für die Flasche ist für dieses Weingut schon eine Ansage. Aber eine, die sich lohnt. 
Und das alles, weil Uwes Frau, Michaela, diese süßen Weine aus dieser kapriziöse Rebsorte liebt


Sein Beitrag, unser Beitrag zum Thema “geliebte Immigranten”. Einen ganz persönlichen habe ich ja eh.


Dorit ist die Gastgeberin der heutigen Weinrallye und hat uns noch um die Antwort auf einige Fragen gebeten:


Zeugt es nicht auch von Weltoffenheit, sich mit internationalen Weinen zu beschäftigen?
Großes Wort! Neugier, Interesse an dem, was jenseits des Gartenzaunes wächst - das gehört doch zum Genuss dazu, oder?


Welche Weine in eurem Keller gehören zu euren „Lieblings-Immigranten“, bzw. werden von euch gerne direkt „eingeschleust“, sprich im Kofferraum importiert?
Rieslinge aus fremden Weinanbaugebieten wie etwa Mosel oder Rheinhessen. Oder auch Südtirol. Und Österreich! Ansonsten: Die aus dem jeweiligen Urlaubsland. Aus Südtirol werden wir uns dieses Jahr garantiert Gewürztraminer mitbringen. Und Rosenmuskateller.


Welchem dieser „Wein-Ausländer“ gewährt ihr gerne häufig, um nicht zu sagen massenhaft, Asyl in eurem Glas? Warum und zu welchem Anlass?
Zu jedem Anlass: Champagner. Und ansonsten immer das und dann, wenn es passt. Und am liebsten mit Freunden.

Mittwoch, 26. Februar 2014

Tausend to go

Heute sind wir im Rothenberg fertig geworden. Rund 400 Stöcke, eine alte Anlage. Eigentlich kein Problem. Uneigentlich haben wir schon vor zwei Wochen gemerkt, dass dieser Weinberg in den vergangenen Jahren ziemlich schaurig geschnitten worden ist. Darum haben wir versucht, die gröbsten Fehler mit dem jetzigen Schnitt zu korrigieren. Bis es so aussieht, wie wir uns das vorstellen, wird es aber noch zwei, drei Jahre dauern.


Eigentlich hätten wir auch die Geisenheimer anrufen können: "Wollt Ihr mal sehen, wie man NICHT schneidet und was dann passiert? Los, kommt her!".
Das ist um so ärgerlicher, als dass Rebschnitt nun, wie Lars zu sagen pflegt "no rocket-science" ist. Kopfbildung, so schneiden, dass der Bogen nicht immer höher wandert, ein Jahr im Voraus denken. Später im Jahr dafür sorgen, dass zukünftiges Zielholz nicht beschädigt oder vernichtet wird. Handwerkszeug. No rocket-science. Man kann das in Büchern nach lesen oder jemanden fragen, der sich damit auskennt.

Trotzdem drückt man natürlich dem Stock beim Schnitt seine Handschrift auf. Ich schneide anders als Lars, und wir können später im Jahr sehen, wer welche Reihen geschnitten hat. Und es geht natürlich um Qualitätssteigerung durch Mengenbegrenzung und Optimierung des Saftflusses. Triebe, die über zehn Meter bergauf gezogen werden, sind da eher weniger sinnvoll. Ach ja, nachpflanzen sollten wir auch dringend hier und da.

Dazu kommt, dass der Drahtrahmen einfach nur ein Chaos ist. Teilweise ohne obersten Rankdraht, vielfach gestückelt, rostige Drahtenden, mal ist der Heftdraht einfach um zehn Zentimeter nach oben gezogen - Himmel. Es falsch zu flicken dauert genauso lange wie es richtig zu flicken. Im Klartext: Wir müssen den Drahtrahmen mindestens zu Hälfte neu ziehen. Im Herbst ist uns das nicht so aufgefallen, ok, die Blätterwand war mehr als dicht und zum Teil musste man die Trauben mehr suchen als lesen. Erstaunlich, wie gesund sie  da noch waren!.

Am Mittelrhein haben wir an den vergangenen Wochenenden die steile Parzelle zum Bach hin und die 13 Reihen "rechts" geschnitten und gebogen. Morgen kommen dann die langen Reihen "links" dran - und zum Schluss die Einzelstockerziehung.


Es bleibt mild, wenn es ein bisschen geregnet hat und später die Sonne scheint, riecht es im Weinberg wie verrückt nach Kräutern, nach Kresse und Bärlauch, nach Frühling.
Wir liegen gut in der Zeit.



Tausend Rebstöcke to go.